Donnerstag, 16. Juni 2022

Zeitreise/Timetravel

English version below!


Dies ist die Geschichte einer österreichischen kräuterkundigen Heilerin und Seherin namens Afra Schickh. Sie wurde ungefähr um 1610 geboren, wahrscheinlich in der Gegend um Mariazell. Sie lebte in Schlatten bei Bromberg, war zweifache Witwe. Während dieser zwei Ehen gebar sie neun Kinder, von denen fünf starben. 

Ihre Fähigkeiten als Heilerin waren so bekannt, dass über 100 Personen sie aufsuchten, um Rat und Heilung baten. Ich könnte mir vorstellen, dass sie Kräuterauszüge zuzubereiten verstand, auch sagten die Leute von ihr, dass sie durch Handauflegen und Anrufen ihrer Geister Heilung herbeiführen konnte. 

Ein verhafteter Viehhüter - der wohl selbst ihre Dienste in Anspruch genommen hatte - denunzierte sie und bezeichnete sie als Hexe. Daraufhin wurde sie festgenommen und dem Landesgericht Wiener Neustadt überstellt, wo sie monatelang in Haft war. 

Ihre Geständnisse über Hexerei, Teufelsanbetung und Flüge auf dem Besen wurden natürlich durch Folter erzwungen. Das Protokoll der Befragung ähnelt sinngemäß etlichen anderen, die bei solchen Hexenprozessen aufgezeichnet wurden. 

Eine Frage jedoch widmete sich den Kräutern, die sie einsetzte und um ihr Andenken auf meine Art zu ehren und zu würdigen habe ich mich auf die Suche gemacht und versucht herauszufinden, um welche Kräuter es sich hier handeln könnte, welche Eigenschaften sie haben und wie sie angewendet werden können. Volkstümliche Pflanzenbezeichnungen verändern sich natürlich im Laufe der Zeit, aber der Hexentradition getreu ließ ich mich von meiner Intuition führen, wenn eine Bezeichnung nicht exakt recherchierbar war. Ob die Pflanzen in Afras Heimat wuchsen und somit verfügbar waren, spielte bei meinen Überlegungen natürlich eine Rolle.

Dies sind die Kräuter, mit denen sie offenbar so vertraut war, dass sie ihr sogar während der Schmerzen einer Folter im Gedächtnis waren.

1) "Gliederkraut" auch Waldmeister (Galium Odoratum)

Wächst gerne in schattigen Buchenwäldern, blüht von April bis Mai. Das blühende Kraut wird für Tee gesammelt.

Es wirkt anregend, herzstärkend, harntreibend, schweißtreibend, keimtötend, beruhigend, schlaffördernd, blutreinigend, leberstärkend, verdauungsfördernd und krampflösend. 

Das Kraut kann als Tee, Tinktur, Sirup oder in Wein angesetzt eingenommen werden. 

In der Volksmagie wurde er den Kühen ins Futter gegeben, wenn diese nicht recht fressen wollten. Auch um Herzlichkeit und Herzenswärme in einem Haus zu bewahren wurde er zwischen die Wäsche gelegt und in Matratzen gestopft. 


2) "Hirschzunge", auch Hirschfarn, Hirschzungenfarn (Asplenium scolopendrium)

Eine mittlerweile geschützte Pflanze, die nur mehr selten in Schluchten, Felsspalten, Mauern oder Schutthalden vorkommt. Wächst gerne auf kalkhaltigen Böden im Halbschatten.

Der Hirschfarn wirkt schleimlösend, hustenlindernd und entzüdungshemmend. In klinischen Versuchen wurde nachgewiesen, dass diese Pflanze die Lungenleistung verstärkt und somit bei Lungenentzündung, Asthma und Husten hilfreich ist. Darüber hinaus reguliert es auch den Hormonhaushalt und unterstützt bei Menstruationsstörungen und Beschwerden in den Wechseljahren.

Die Pflanze kann als Tee oder Tinktur eingenommen werden. Auch als Öl angesetzt hat sie Nutzen, da ihr narbenbildende Eigenschaften zugesprochen werden. Die betroffene Körperstelle wird dann regelmässig mit dem Öl eingerieben um die Narbenbildung günstig zu beeinflussen.


3) "Löwenzunge" eventuell Ochsenzunge (Anchusa Officinalis)

Die Recherche nach dieser Pflanze stellte sich als sehr schwierig heraus, ich vermute es könnte sich hierbei um die Ochsenzunge handeln. Sie wächst gerne an Wegrändern und bevorzugt trockene Böden mit sonnigen Standorten, bis in Mittelgebirgslagen hinein. Ihre Eigenschaften sind herzstärkend, schleimlösend, erweichend, auswurffördernd und harntreibend. 

Tees aus Blüten und Blättern verwendete man in der Volksheilkunde als milde Abführmittel aber auch sanfte Stimmungsaufheller bei Depressionen. 


4) "Götterkraut", vermutlich Wiesensalbei (Salvia pratensis)

Anders als der Salbei (Salvia officinalis) der aus den Mittelmeerländern stammt - vornehmlich Dalmatien und den griechischen Inseln - ist der Wiesensalbei in Österreich heimisch und sehr verbreitet. Er kommt auf Wiesen, Feldwegen, Brachflächen und gelegentlich sogar an Straßenrändern vor. Er schätzt einen mäßig feuchten bis trockenen Standort mit viel Sonne. 

Seine heilende Wirkung ist ähnlich dem Salbei, adstringierend (zusammenziehend), blutstillend, entzüdungshemmend, harntreibend und krampflösend, wobei er im Geschmack weniger kräftig ist. 

Wiesensalbei kann ebenfalls als Tee oder Tinktur eingenommen werden. 

In der magischen Arbeit kommt er - wie Salbei auch - für reinigende und heilende Räuchermischungen und als Füllungen für Talismane und Püppchen zum Einsatz.


5) "Kundlkräuter", heute bekannt als Quendel (Thymus pulegioides)

Quendel ist der heimische Thymian. Er ist ein kleiner, krautartiger Strauch, der an trockenen Mauern, Wiesenböschungen, Acker- und Wegrändern und auf trockenen, sonnigen Waldlichtungen wächst. Überall, wo man mit Thymian würzt kann auch Quendel verwendet werden, er harmoniert mit vielen Speisen ganz wunderbar.

Seine Wirkung als Tee oder Tinktur ist auswurffördernd, antiseptisch, schweißtreibend und  harntreibend. Er ist hilfreich, wenn man sich mit einer schwer verdaulichen oder nicht bekömmlichen Speise den Magen verdorben hat. Als ausgesprochenes Frauenkraut wird er in der Volksmedizin zur Geburtsvorbereitung gegeben, bei Wechseljahrbeschwerden, Nervenleiden und Depressionen. 

Sein ätherisches Öl kann durch die antiseptische Wirkung zur Reinigung verwendet werden und tropfenweise dem Putzwasser zugesetzt werden. 

Die weisen Kräuterhexen legten Quendelzweige den Gebärenden ins Bett, denn sie ist eine der Göttin Freya geweihte Pflanze. 

6)"Baumwollkraut", hier könnte es sich vielleicht um die Königskerze, im Volksmund "Wollblume" (Verbascum densiflorum) oder aber um den Wundklee, im Volksmund "Wollklee" (Anthyllis vulneraria) handeln. 

Beide Pflanzen sind in Österreich heimisch und weit verbreitet. Mir gefällt die Idee, dass es sich um den bescheidenen Wundklee handeln könnte. Man sagt von ihm, dass er die "Wunden der Erde" heilt, da er überall, wo das Erdreich aufgebrochen wird, wo eine Lawine die Landschaft verwüstet oder der Mensch einen Krater in Mutter Erde gräbt, schnell alles überwuchert und das Erdreich befestigt. Wäre es nicht eine wundervolle Pflanze um von einer Heilerin verwendet zu werden?

Der Wundklee hat hustenstillende, krampflösende und blutstillende Eigenschaften. Die Abkochung kann als Umschlag auf Wunden aufgebracht werden, selbst frische Wunden können damit ausgewaschen werden. Zerstampft man das Kraut zu einem Brei, kann es auf Quetschungen und Abschürfungen aufgebracht werden.

In der magischen Anwendung schützt er vor bösen Einflüssen, die durch böse Gedanken hervor gebracht werden. Kleinen Kindern wurde er in die Wiege gelegt, um diese vor bösen Wünschen zu schützen.



All ihr Wissen und magisches Können konnte Afra Schickh nicht vor dem Wahnsinn der Hexenverfolgung schützen. 

Möge das Universum Ausgleich schaffen. 



***

This is the story of austrian herbal healer and seer named Afra Schickh. She was born around 1610, probably in the Mariazell area. She lived in Schlatten near Bromberg, was widow twice. During these two marriages she gave birth to nine children, five of whom died.

Her abilities as a healer were so well known that over 100 people came to her for advice and healing. I could imagine that she knew well how to prepare herbal extracts of all kind, and people said that she could heal by laying on hands and calling on her spirits.

An arrested herdsman - who had probably used her services himself - denounced her and called her a witch. She was then arrested and transferred to the regional court in Wiener Neustadt (near Vienna), where she was imprisoned for months.

Her confessions to witchcraft, devil worship, and broomstick flights were, of course, extracted through torture. The protocol of the questioning is similar to several others that were recorded at such witch trials.

One question, however, was about the herbs she used, and to honor her memory in my own way, I went on a search and tried to find out what herbs these might be, what properties they have, and how they can be applied. Popular names for plants change over time, of course, but true to witchcraft tradition, I let my intuition guide me when a name wasn't exactly researchable. Whether the plants grew in Afra's homeland and were therefore available naturally played a role in my considerations.

These are the herbs she was apparently so familiar with that she remembered them even during the pangs of torture.

1) "Gliederkraut"(Limbweed) also Woodruff (Galium odoratum)

Likes to grow in shady beech forests, flowers from April to May. The flowering herb is collected for tea.

It has a stimulating, cardiotonic, diuretic, diaphoretic, germicidal, calming, sleep-inducing, blood-purifying, liver-enhancing, digestive and antispasmodic effect.

The herb can be taken as a tea, tincture, syrup, or steeped in wine.

In folk magic it was given to the cows' feed when they didn't want to eat properly. It was also placed between the laundry and stuffed into mattresses to preserve cordiality and warmth in a house.


2) "Stagtongue", also stag fern (Asplenium scolopendrium)

A now protected plant that is rarely found in ravines, crevices, walls or screes. Likes to grow in semi-shade on calcareous soil.

The stag fern has an expectorant, cough-soothing and anti-inflammatory effect. Clinical trials have shown that this plant increases lung capacity and is therefore helpful in pneumonia, asthma and coughs. In addition, it also regulates the hormonal balance and supports menstrual disorders and symptoms during menopause.

The plant can be taken as a tea or tincture. It is also useful as an oil, since it is said to have scar-forming properties. The affected part of the body is then regularly rubbed with the oil to have a beneficial effect on scarring.

3) "lion's tongue" possibly ox tongue (Anchusa Officinalis)

The research for this plant turned out to be very difficult, I suspect it could be the ox tongue. It likes to grow along roadsides and prefers dry soil in sunny locations, right up to low mountain ranges. Its properties are cardiotonic, emollient, expectorant and diuretic.

Teas made from flowers and leaves were used in folk medicine as a mild laxative but also as a gentle mood enhancer for depression.

4) "Godsweed", probably meadow sage (Salvia pratensis)

Unlike sage (Salvia officinalis), which comes from the Mediterranean countries - primarily Dalmatia and the Greek islands - meadow sage is native to Austria and very widespread. It occurs on meadows, dirt roads, fallow land and occasionally even on roadsides. It appreciates a moderately moist to dry location with lots of sun.

Its healing properties are similar to those of sage, being astringent (contracting), haemostatic, anti-inflammatory, diuretic and antispasmodic, although the taste is less strong.

Meadow sage can also be taken as a tea or tincture. In magical work, like sage, it is used for cleaning and healing incense mixtures and as fillings for talismans and dolls.

5) "Kundlkräuter", known today as Quendel (Thymus pulegioides)

Quendel is the native thyme. It is a small, herbaceous shrub that grows on dry walls, meadow embankments, field and roadsides and in dry, sunny forest clearings. Wherever you season with thyme, Quendel can also be used, it harmonises wonderfully with many dishes.

Its effect as a tea or tincture is expectorant, antiseptic, diaphoretic and diuretic. It is helpful when you have an upset stomach with a hard-to-digest food. As a pronounced lady's herb, it is used in folk medicine to prepare for childbirth, for menopausal symptoms, nervous disorders and depression.

Its essential oil can be used for cleaning due to its antiseptic effect and can be added drop by drop to the cleaning water.

The wise herbal witches laid branches into the bed of the woman giving birth, for it is a plant consecrated to the goddess Freya.

6) "cotton weed", here it could perhaps be the mullein, popularly known as "woolly flower" (Verbascum densiflorum) or the kidney vetch, popularly known as "woolly clover" (Anthyllis vulneraria).

Both plants are native to Austria and widespread. I like the idea that it could be the humble kidney vetch. It is said to heal the "wounds of the earth" because wherever the earth is broken open, where an avalanche devastates the landscape or man digs a crater in Mother Earth, it quickly overgrows and fortifies the earth. Wouldn't it be a wonderful plant to be used by a healer?

The kidney vetch has antitussive, antispasmodic and haemostatic properties. The decoction can be applied to wounds as a poultice, even fresh wounds can be washed out with it. When pounded into a pulp, the herb can be applied to bruises and abrasions.

When used magically, it protects against harmful influences that are brought about by evil eye. It was placed in the cradle of small children to protect them from evil wishes.

***

All her knowledge and magical ability could not protect Afra Schickh from the madness of witch hunts.


May the universe make balance.


The Pointy Hat

***English version below***  Wer sich jetzt fragt, wer oder was "The Pointy Hat" wohl sein mag, will ich gar nicht lange auf die A...